Am von Holger Kreissl in Real Citizen Development | IT & Innovationsmanagement
Minimum Viable Products: Warum MVP und Citizen Development perfekt ineinandergreifen
Im Zuge der Digitalisierung fallen immer wieder kryptische Anglizismen, deren Beliebtheit immer weiter zunimmt, jedoch deren Bedeutungen einer besonderen Erklärung bedürfen. Zwei dieser Begriffe sind „MVP“ und „Citizen Development“. Beides sind noch relativ junge Begriffe, die in der Produkt- sowie Softwareentwicklung verwendet werden. Doch in der Verbindung dieser beider Ansätze steckt das Potential eines rapiden und agilen Digitalisierungsschubs für Unternehmen.
Kurze Begriffserklärungen
Citizen Development
Das Prinzip des Citizen Development beschreibt, unter Zuhilfenahme von No Code bzw. Low Code Plattformen, die Software-Entwicklung aus der Hoheit der IT zu geben und in die Hände von „Nicht-Entwicklern“, den sog. „Citizens“, zu legen. Mehr Informationen
Minimum viable product (MVP)
Hinter diesem Begriff versteckt sich ein sog. minimal nutzbares oder lauffähiges Produkt. Normalerweise wird die erste Iteration eines (Software-)Produkts so bezeichnet, welches das Minimum der gestellten Anforderungen erfüllt.
Entwickeln, testen, lernen und von vorn
Bei der Auswahl des Entwicklungsverfahrens gilt es, die Kritikalität zu beachten. Ein Beispiel: Kein Passagierflugzeugbauer würde sagen: "Flieg erst einmal los und sag mir Bescheid, falls irgendwas nicht klappt" – hoffentlich. Im Folgenden soll es um unkritische, nichtkomplexe Prozesse gehen.
Ein Blick auf die unterschiedlichen Methodiken
Nachteile der starren Produktentwicklung
Werfen wir einen genaueren Blick auf einen klassischen Produktentwicklungszyklus. Hierbei gilt es, vor der Marktreife eines Produktes eine ganze Reihe an vorab definierten Meilensteinen zu erreichen. Die Erreichung dieser Meilensteine ist zwingend notwendig und wird vorab klar und in logischer Abfolge definiert. Durch diesen starren Ablauf hat man auf der einen Seite eine gewisse Qualität sichergestellt, auf der anderen Seite allerdings sehr lange Produktentwicklungszyklen aufgebaut. Dies führt zu einem späten Aufeinandertreffen von Markt und Produkt und einer stark begrenzten Möglichkeit, auf das Feedback des Marktes zu reagieren.
Vorteile der agilen MVP-Entwicklung
Demgegenüber steht die Produktentwicklung anhand agiler Methoden, hierbei konkret in der Entwicklung eines MVP. Die Vorzüge liegen auf der Hand – es gibt eine deutliche Verkürzung des Zeitraums zwischen Entwicklung und Marktstart. Man geht früh auf die Anwender zu und das Produkt wird im Verlauf am Bedarf entlang weiterentwickelt. Besonders bei Software-Projekten birgt diese Herangehensweise das Erschließen einer ganzen Reihe an weiteren Potentialen.
Ob Paretos „80-20-Regel“, Mark Zuckerbergs „Done is better than perfect“ oder Voltaires „Perfect is the enemy of good“, all diese Prinzipien zahlen auf den MVP-Ansatz ein: Das Perfektionieren eines Produktes ist, neben dem Konzipieren, der wahrscheinlich zeitaufwändigste Faktor. Nichtsdestotrotz kann auch am Ende der Weiterentwicklung eines "minimum viable product" ein perfektes Endresultat stehen. Es wird jedoch der große zeitliche Aufwand für die Perfektionierung auf die Phase der aktiven Nutzung und steten Optimierung verteilt.
Fachkräftemangel, Flaschenhals und Fachchinesisch
Der MVP-Ansatz spielt seine Stärken schon in klassischen Software-Entwicklungs-Unternehmen und -Abteilungen aus, wird aber besonders durch den Citizen-Development-Ansatz nochmals stark begünstigt.
In einer idealen Welt gibt es eine Digitalisierungsidee, die mit möglichst geringem Aufwand durch einen fachnahen Projektleiter (Citizen Developer) kurzfristig realisiert wird. Dieser hat keine tiefgreifende Erfahrung in der Software-Entwicklung, maximal eine technische Affinität. Gleichzeitig hat er ein tiefes Verständnis für den Fachprozess aufgebaut, wie es ein IT-Experte im Detail nur schwer erlangen kann. Wie ist nun also das ideale Vorgehen?
MVP in der Business-App-Entwicklung - Eigene Prototyp-App erstellen
Nehmen wir als Beispiel mal die „Übersetzung“ oder auch Transformation eines Papierformulars ins Digitale. Der MVP wäre in diesem Fall ziemlich nahe dem Status Quo des analogen Formulars: Für jedes ausfüllbare, weiße Feld auf dem Bogen gäbe es ein digitales Gegenstück in der Applikation. Das Formular wird nachgebaut und an die Anwender verteilt, für die sich, außer das Eingabemedium, nichts Gravierendes ändert. Dieser Nachbau ist schnell und einfach realisierbar, ohne dass es notwendig ist, in den Prozessablauf einzugreifen.
Tipp: Um eine Brücke zwischen Konzeption und Umsetzung von Citizen Development Projekten im Unternehmen zu spannen, ist ein begleitetes Prototyping ratsam.
Es wird ganz bewusst davon Abstand genommen, vor der Benutzung durch die Anwender in aufwändigen Abstimmungen in diesen Ablauf einzugreifen (mit Ausnahme offensichtlicher und ohne Abstimmungsaufwand realisierbarer Änderungen).
Ziel ist es, die Endanwender in die Pflicht zu nehmen, durch ihr Feedback den Prozess und dessen Effizienz mitzugestalten. Dieses Feedback kann unmittelbar durch den fachnahen Projektleiter entgegengenommen und umgesetzt werden. Er versteht sowohl den Fachterminus als auch die Beweggründe, die hinter diesem Änderungswunsch stehen. Die „Übersetzung“ für die Software-Entwicklung entfällt komplett und der MVP iteriert sich immer mehr zu einem besseren Prozess, ohne großen Abstimmungsaufwand oder Vorlaufzeit.
Besonders der Erhalt der Flexibilität eines MVP erlaubt es, Stück für Stück die gesteigerten Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung des Prozesses ergeben, in ebendiesen zu integrieren.
Wo zum Beispiel früher handschriftlich ein Name eingegeben wurde, erkennt das System den Anwender über eine Nutzerzuordnung. Eine Schadensbeschreibung in Textform weicht einem integrierten Foto und statt einen Stapel aus Papier zu sichten, werden die Daten in angeschlossene Business-Intelligence-Lösungen überführt und dort aggregiert. Und angefangen hat dies mit dem raschen Nachbau des analogen Protokolls (vgl. auch Rapid Prototyping).
„Ich bin doch kein Versuchskaninchen“
Natürlich birgt diese Vorgehensweise auch gewisse Risiken. Der Grat zwischen einem „minimal viable product“ und einem „maximum unviable product“ kann mitunter sehr schmal sein. Im Zuge dieses Vorgehens ist es daher elementar wichtig, zu beachten, dass der bestehende Prozess nicht unbrauchbar wird.
In der Vergangenheit zeigte sich, dass in Digitalisierungs-Großprojekten mit langen Lasten- und Pflichtenheften und einer Herrschar an (prozessfernen) Projektbeteiligten viel Potential zum Scheitern steckt. Durch die Übertragung der Verantwortung an einen fachnahen „Citizen Developer“ kann man diesem Risiko bestmöglich begegnen. Denn genau dabei entfallen Problemstellungen im Stille-Post-Stil, die in Abstimmungen zwischen unterschiedlichen Abteilungen anfallen können.
Das zweite große Risiko ist die Akzeptanz der Anwender. Es gibt große Aversionen gegen unfertige Produkte, die einem, sowohl im Privat- als auch im Arbeitsleben als fertige Produkte „verkauft“ werden. Das zieht eine gewisse Herausforderung an die Kommunikation durch den Projektleiter nach sich.
Hier hilft eine klar kommunizierte Einordnung des MVP-Prinzips und der Möglichkeiten, die sich daraus auch für den Endanwender ergeben. Ein möglicher Ansatz kann es sein, den Kreis der MVP-Nutzer künstlich einzuschränken und nur diejenigen einzubinden, die aktiv am Prozess mitgestalten wollen.
Fazit
Warum MVP und Citizen Development perfekt ineinandergreifen
Die Kombination von Citizen Development und MVP sorgt für eine starke Dynamik und Flexibilität, die man in klassischen Projekten nicht hat. Beide Entwicklungsansätze haben jedoch ihre Daseinsberechtigung. Der Flugzeugbauer wird kein minimal lauffähiges Produkt entwickeln, hängen doch überlebenskritische Faktoren an der perfekten Qualität des Produktes. Genauso wenig sollten unternehmenskritische, hochkomplexe Anwendungen im MVP-Ansatz von Citizen Developern entworfen werden. Hierfür werden auch weiterhin Pflichten-und Lastenhefte sowie IT-Experten herangezogen.
Auf der anderen Seite eignen sich unabhängige, nicht komplexe Alltagsprozesse auf Team- und Arbeitsgruppenebene sehr gut für diesen Ansatz. Aufgrund der Schnelligkeit des Marktes und dem vorherrschenden Digitalisierungsstau ist es von Vorteil, die bestehenden Prozesse kurzfristig zu überdenken, die Möglichkeiten der neuen Medien zu nutzen und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess durchzuführen. Die Zielsetzung aller Beteiligten sollte sein, gemeinsam einen Schritt nach vorn zu machen. Mit einer klaren Kommunikation, einer guten Feedbackkultur und mitgestaltenden Kollegen erreicht man mit kleinen, schnellen Schritten ein ganz großes Ziel.
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Fertige smaps werden an das Team verteilt und können online und offline genutzt werden. Gesammelte Daten gelangen in digitaler und strukturierter Form zurück in die Datenzentrale der smapOne Plattform. Fertig ist der digitalisierte Prozess.
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Head of Growth & Intelligence
Holger KreisslHolger Kreissl ist Diplom-Informatiker und hat über 25 Jahre Erfahrung in Produkt- und Softwareentwicklung. Sein Schwerpunkt liegt im Herbeiführen von Data Driven Decisions durch Automatisierung, Business Intelligence und bereichsübergreifenden Analysen.
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